Grabstätten
Was sie zu leisten vermochten, können wir heute noch auf dem Lindlarer Friedhof sehen. Die vielen erhaltenen alten Grabstätten sind Zeugen für das Können und Vermögen der Lindlarer Steinmetze. Sie waren keine eigentlichen Berufskünstler, die die vielen Kirchen, Kapellen, Burgen, Grabkreuze, Fußfälle, Wegekreuze und Sakramentshäuschen schufen. Ihre Kunst war durch keine Schule vorgebildet. Viele konnten nicht lesen und schreiben, dafür waren sie um so volksverbundener, diese Steinmetze, die den Hammer zu schwingen wussten. Die Kunst, den Werkstein zu bearbeiten, haben sie von Auswärtigen vermittelt bekommen. Bis heute lassen Werke aus der früheren Zeit wahre Talente unter den Steinmetzen erkennen. Leider fehlte ihnen die fachliche Ausbildung, um aus ihnen Künstler von Format zu machen. Sie selbst sind vergangen, aber ihre Werke bleiben bestehen und damit die Zeugen eines tieffrommen Gemütes unserer Vorfahren.
So kam es 1706 zur Gründung der Steinhauerzunft, die sich den hl. Reinoldus als Schutzpatron wählte. Wenn sie auch zuerst einen kirchlichen Charakter hatte, so verfolgte sie aber auch soziale und fachlich berufliche Zwecke. Der Zusammenschluss sollte die Möglichkeit zur fachlichen Aus- und Weiterbildung bieten. Die Zunft gewährleistete in Not geratenen Steinhauern und ihren Familien eine finanzielle Unterstützung. Die berühmt berüchtigte Steinhauer – Berufskrankheit, die Staublungenerkrankung, ließ viele Mitglieder frühzeitig sterben. So sprach man nicht zu Unrecht vom witwenreichen Lindlar.
Die Steinhauerzunft muss wohl bis Anfang des 19. Jahrhunderts ihre gesetzten Ziele ohne große Schwierigkeiten durchgeführt haben, denn bis zum Jahr 1824 liegt uns kein Bericht über die Zunft vor.
Am 25.März 1824 finden wir einen Eintrag über die Gründung einer Bruderschaft, die von den Steinhauern gebildet und der Zunft angeschlossen wurde. Diese Bruderschaft kann man mit Recht als Vorläufer der Krankenkassen bezeichnen. Im Vordergrund stand Geld einzusammeln, um mit diesen Beiträgen die größte Not von Kranken und Hinterbliebenen zu lindern.
Die Revolutionsjahre und der Beginn der Industrialisierung um 1824 veranlasste die preußische Regierung
zur Bildung von Ausschüssen und Kommissionen, die das Verhältnis von Gewerbetreibenden und den von ihnen beschäftigten Arbeitern regeln sollte. So kam es, dass sich die Steinhauerzunft kurzzeitig in die Steinhauer Gewerkschaft umbenannte. Grundlegende Veränderungen erbrachten jedoch die preußische Gewerbeordnung von 1845 und die deutsche Gewerbeordnung von 1869.
Schwierigkeiten zwischen den „größeren Meistern“ einerseits und den „kleineren Meistern, Stückarbeitern und Gesellen“ andererseits, bedrohten ernsthaft den bisher festen Zusammenhalt der Steinhauergilde. Um diesen Schwierigkeiten Herr zu werden, wurde am 28. August 1849 gestützt auf die neue Gewerbeordnung eine „Innung der Steinhauer zu Lindlar“ ins Leben gerufen.
Diese Innung regelte die fachliche Ausbildung und den Unterschied zwischen Meistern und Gesellen.
Danach musste der Lehrling mindestens 3 Jahre lernen, um dann mit 25 Jahren Geselle werden zu können. Weitere Bestimmungen wurden zur Ablegung der Meisterprüfung festgelegt, die den gesetzlichen Erfordernissen entsprachen.
Selbständige durften nur mit bestandener Meisterprüfung Lehrlinge ausbilden. Die Zahl der ausgebildeten und selbständigen Steinhauer mit der bestandenen Meisterprüfung betrug 1846 in Lindlar etwa 45, deren Namen uns heute noch teilweise geläufig sind .
Einige seien hier genannt: Josef Zimmermann hatte mit 16 Gesellen den größten Betrieb. Es folgen nach der Zahl der Gesellen: Edmund Lob ( 10 Gesellen ), Christian Steinbach und August Klug ( je 8 Gesellen ), Josef Bremer und Philipp Steinbach ( je 7 Gesellen ), Josef Luxem und Lorenz Ufer ( je 6 Gesellen ), Peter Lange und Franz Steinbach ( je 5 Gesellen ), Peter Jansen ( 4 Gesellen ), Peter Battong ( 3 Gesellen ), Amadeus Brochhagen, August Klever, Georg Gronewald, Karl Sax, Johann Müller, Peter Selbach und Friedrich Remshagen ( je 1 Geselle ).
Als damals eine Sparkasse von der Gemeinde Lindlar gegründet wurde, waren es vornehmlich die Steinhauer, an die man sich wandte. Es sollte ihnen auf diese Weise Gelegenheit geboten werden, Geld für Notzeiten zurückzulegen. Die Steinhauer nutzten die 1855 gegründete Sparkasse aber nur für private Zwecke.
Aufgrund der allgemeinen Gewerbeordnung von 1845 und einer Ausführungsverordnung von 1849 erließ Bürgermeister Hofstadt am 09. Dezember 1856 ein Ortsstatut. Dies war die Voraussetzung für das „Statut der Kranken- und Sterbekasse für die Steinhauer der Bürgermeisterei Lindlar vom 09. Juli 1857“. Die Genehmigung durch die Regierung erfolgte umgehend.
Der Rentendant erhielt monatlich die Beiträge für die Kasse von einem „Altgesellen“ der nach den Statuten diese einsammeln musste. Es wurden im ersten Jahr 372 Taler an Verpflegung und Sterbegeld ausgezahlt, dem gegenüber standen Einnahmen in Höhe von 390 Talern.
Die Dreigliederung der Steinhauergilde – Religion, fachliche Ausbildung und gegenseitige Unterstützung – waren zum Ende des 19. Jahrhunderts etwas in Vergessenheit geraten und wurden durch den Neupriester Eduard Cronenberg wieder mit Leben erfüllt. Er wurde 1864 zum Rektor der 1859 gegründeten höheren Schule in Lindlar ernannt. In Köln hatte Cronenberg Adolf Kolping und seine Ideale kennengelernt.
Häufig war er bei ihm zu Gast in der Kölner Bürgergesellschaft. Cronenberg versuchte etwas ähnliches in Lindlar zu schaffen, und so wurde am 22. Februar 1865 der Bürgerverein gegründet. Zweck war es „Gleichgesinnte zur geselligen Erholung und zur gemeinsamen Benutzung guter Lektüre zu versammeln“. Außer Cronenberg war im Verein der damalige Vikar Gerhard Arnoldy führend tätig.
Beide Geistliche erkannten schon bald die Bedeutung der katholischen Gesellenvereine, dies um so mehr, weil der größte Teil des Bürgervereins Steinhauergesellen und Meister waren. So beschloss man Ende 1866 die Umwandlung des Bürgervereins in den katholischen Gesellenverein, der am 03. Februar 1867 erstmals mit einem Stiftungsfest in Erscheinung trat.